Eine Woche im Ashram
Gandhi Candidasa
(16.05 - 22.05.2018)







Quelle: google/maps
Candidasa ist ein kleiner Ort an der Südostküste Balis, wo die Menschen traditionell von Fischfang und Landwirtschaft sowie neuzeitlich auch vom Tourismus leben. Er schmiegt sich förmlich an die steil aufragenden, rundlich geformten, bewaldeten Hügel, welche hier die Küstenlandschaft prägen.
Zahlreiche Hotels und Bungalow-Resorts säumen die durch den Ort führende Küstenstraße. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite haben sich Geschäfte und Massagesalons etabliert. Die Häuser und terrassenartig angelegte Gärten der einheimischen Familien drängen sich dicht den Hang hinauf.
Ein sehr schöner und beliebter Treffpunkt in Candidasa ist ein großer Teich mit Lotusblumen. Hier versuchen Groß und Klein mit selbstgebauten Angeln, die zahlreichen kleinen schwarzen Fische aus dem Wasser zu ziehen
Direkt neben diesem Teich liegt der Gedong Ashram Gandhi, meine Zuhause für die nächste Woche.
Der Gedong Ashram Gandhi wurde 1976 gegründet, um gandhische Lebensideale in Taten umzusetzen und ein Leben der Einfachheit (was auch Nachhaltigkeit und Sorge für unsere Umwelt bedeutet), Selbstversorgung und Dienst an der Gemeinschaft zu fördern. Die Leitprinzipien sind Ahimsa
(Gewaltfreiheit), Satya (Wahrheit) und Karuna (Mitgefühl und universelle Brüderlichkeit). In der Alltagspraxis prägt Swadeshi (Selbstgenügsamkeit) die wirtschaftlichen und produktiven Aktivitäten des Ashrams.
Bei meiner Ankunft um 18:00 Uhr begrüßen mich gleich mehrere sehr freundliche Menschen. Zwei junge Mädchen tragen mein Gepäck zum Bungalow.
Zu meiner Überraschung ist mein Bambus-Bungalow ziemlich geräumig und mit einer großen Terrasse versehen.
Durch eine Holztür gelang ich beim ersten Erkunden zwei winzige Stufen hinunter steigend in einen weiteren, tiefer gelegten gefliesten Raum. Das also ist „Kamar Mandi“, das indonesische Badezimmer. Mein Kamar Mandi hat ein Waschbecken, ein WC sowie einen sogenannten „Bak Mandi“ und einen „Gayung“. Das sind ein steinernes, mit Wasser gefülltes Becken und eine Schöpfkelle.
Bak Mandi und Gayung werden von mir erst einmal völlig ignoriert, weil ich keine Ahnung habe, wozu sie taugen könnten. Das erfahre ich erst zwei Tage später von Simona. Sie lebt seit sechs Monaten auf Bali und erklärt mir deren Zweck:
Das Wasser aus dem Bak Mandi wird mit der Kelle aus dem Becken entnommen und über den Körper geschüttet. Es ist also eine Dusche… Das Kamar Mandi ist folglich meist ein sehr nasser Ort und der Abfluss, in Form eines Loches in der hinteren linken Ecke des Kamar Mandis. Wächter meines Abfluss-Loches ist eine fette Kröte, die mich jeden Tag bei Dämmerung besuchen kommt.
Die drei Hauptmahlzeiten nehmen Gäste und dauerhafte Ashram Bewohner täglich zusammen ein. Gegessen wird nach alter Tradition natürlich auf dem Boden. Eine große Bastmatte dient als Tischdecke, um sie herum liegen gut gepolsterte, große Sitzkissen für die Gäste. Vor jedem Sitzkissen steht ein tiefer Teller, Besteck und ein Glas Wasser mit einem Deckel darauf. In der Mitte der Bastmatte stehen verschiedene, mit Basthäubchen abgedeckte Platten und Schüsseln mit den Speisen.
Etwas abseits, auf einem großen Holztablett stehen mehrere kleine Schüsselchen mit Reis und etwas Gemüsebeilage. Sie sind nicht abgedeckt und ohne Besteck. Drumherum sitzen die Jugendlichen sowie zwei ältere Frauen, die Ashrambewohner, auf dem harten Steinboden des Pavillons.
Zu jeder Mahlzeit wird einem der Mädchen die Aufgabe zu Teil, für die Gäste zu sorgen. Jede Mahlzeit beginnt mit einem bestimmten Meal Blessing, also einem Segen der Mahlzeit, den alle gemeinsam singen. Die Hände werden dabei in der asiatischen Gebetshaltung aneinander vor dem gesenkten Kopf gehalten, die Augen geschlossen.
Danach nimmt sich jeder Gast etwas auf seinen Teller. Erst wenn alle sich bedient haben, wird mit dem Essen begonnen. Die Jugendlichen und Frauen essen ihre winzigen Portionen mit den Händen. Sie plaudern fröhlich während des Essens durcheinander und harren an der Tafel aus, bis der letzte Gast mit seinem Mahl fertig ist.
Die Jugendlichen, die momentan im Ashram Gandhi leben sind zwischen 14 und 17 Jahren jung. Bis zu ihrem 20. Lebensjahr haben sie die Möglichkeit hier zu bleiben. Während ihres Aufenthaltes im Ashram Gandhi lernen sie neben den traditionellen hinduistischen Ritualen und Zeremonien auch alle Arbeiten zu verrichten, die in im eigenverantwortlichen Leben eines Erwachsenen erwartet werden.
Während meines ersten Abendessens, fühle ich mich gut in die Gemeinschaft aufgenommen. In der Runde sitzen Jackson aus Melbourne und Anissa aus Frankreich. Beide wenden sich mir zu und wir lernen uns ein wenig kennen.
Anissa ist in Marokko geboren, allerdings lebt sie seit langem in den Französischen Alpen. Sie ist mit ihren jungen Jahren eine richtige Weltenbummlerin, war bereits auf allen Erdteilen unterwegs.
Jackson stammt aus der Familie des Ashramgründers und wechselt sich mit mehreren Brüdern in der Verwaltung des Ashrams ab. Momentan bleibt er für drei Monate im Ashram und managet hier alles.
Um 19:30 wird mit einem Klopfzeichen zum Evening prayers gerufen. Diese Abendgebete beschließen den strengen Tagesablauf im Ashram. Wir Gäste sich zu jedem Ritual herzlich eingeladen aber nicht verpflichtet, daran teilzunehmen.
Ich bin offen und interessiert, so dass ich mich mit dazu setze. Eine der beiden älteren Frauen sitzt bereits mit dem Rücken an einen senkrechten Holzpfosten gelehnt auf dem Boden. Sie winkt mich lächelnd heran und ich tue es ihr gleich.
Alle Teilnehmer setzen sich so auf den Boden, dass sie in die gleiche Richtung blicken. Ihr Blick geht bei allen Gebeten in Richtung des aktiven Vulkans Gunung Agung.
Die Balinesen glauben, dass der Gunung Agung der Thron des Sanghyang Widhi Wasa ist. Der Götterberg wird hier als heilig angesehen wird. Seine Verehrung spielt eine wichtige Rolle im Alltag aller Balinesen.
Nachdem sich alle gesetzt haben, wird das Licht gelöscht und gemeinsam in der alten Sprache Sanskrit gesungen. Eine/r stimmt ein Lied an und die anderen stimmen mit ein. Die kräftigen Stimmen erfüllen die Dunkelheit und die Gesänge zeugen von einer tiefen Verehrung.
Für mich geht damit ein ereignisreicher Tag zu Ende, ich kriche unter mein Moskitonetz und sinke zunächst in einen tiefen Schlaf. Irgendwie hängt mir immer noch der Nachtflug von Darwin nach Bali nach.
Allerdings ist mein Schlaf nicht sehr erholsam, es ist unerträglich heiß. Der Ventilator rattert kläglich vor sich hin und wirbelt doch nur warme Luft auf. Immer wieder wälze ich mich von einer auf die andere Seite.
Gegen sechs Uhr werde ich von einem Klappern geweckt. Die Hähne krähen schon seit einiger Zeit und die Ashram Bewohner haben den Tag bereits um fünf Uhr mit dem Morning Prayers begonnen.
Da ich nicht mehr schlafen kann, stehe ich auf und möchte mich ans Meer setzen zum Meditieren. Was für eine schöne Überraschung entdecke ich auf meiner Terrasse, die mir das Geräusch von vorhin erklärt. Jemand hat mir ein frisches Kaffeegedeck mit kleinem Löffel, drei Glasgefäße mit Kaffeepulver, Tee und Rohrzucker auf den Tisch gestellt und eine große Thermoskanne mit heißem Wasser.
So lässt sich der Tag gut beginnen! Ich genieße eine Tasse frischen Kaffees und beobachte das fleißige Treiben der jugendlichen Ashrambewohner. Ein Junge führt ganz ruhig zwei braune Kühe über die Wiese unter den hohen Palmen. Nachdem er zwei Runden mit ihnen gedreht hat, befestigt er sie an einem langen am Boden liegenden Holzbrett, so dass sie im Schatten grasen können. Anschließend wird gefegt und die Grünanlagen in Ordnung gehalten.
Es ist ein emsiges Tun um mich herum und ich sitze hier entspannt und trinke gemütlich Kaffee. Irgendwie fühlt sich das falsch an und ich beschließe, mich bei passender Gelegenheit mit in die anfallenden Arbeiten im Ashram einzubringen. Diese selbstlose Arbeit im Ashram wird Karmayoga genannt.
Mit großer Freude sehe ich, dass jetzt auch jemand den Yogapause direkt am Meer fegt. Um 7:00 Uhr bekomme ich meine erste Yogastunde bei Wayan. Da niemand weiter Interesse hat, wird es sogar eine Einzelstunde.
Die Begleitung in englischer Sprache ist anfangs ganz ungewohnt, ich verstehe nicht viel und schaue mir die Bewegungen bei Wayan ab. Doch mit der Zeit prägen sich die Begriffe ein und die Asanas sind ähnlich, wie ich sie auch kenne. Besonders gut kann ich mich während der Sonnengrüße im Hier und Jetzt vertiefen, Wayan tönt ein Mandra und im Hintergrund rauscht das Meer.
Insgesamt komme ich ordentlich ins schwitzen. Zum einen ist es bereits früh um 7:00 Uhr 26 Grad warm und die Luft tropisch feucht. Zum anderen muss ich gestehen, bin ich etwas aus der Übung, denn seit Beginn unserer Auszeit habe ich kein Yoga mehr geübt!
Trotzdem genieße ich diese erste, sehr intensive Yogastunde ganz besonderes und bin mir sicher, morgen einen ordentlichen Muskelkater als Erinnerung zu bekommen…
Aber nun habe ich erst einmal einen Bärenhunger und freue mich auf ein gemeinsames Frühstück um 8:30 Uhr. Es gibt mit Bananen gefüllte Pfannkuchen mit Palmsirup und Papaya, dazu heißes Ingwerwasser, Tee oder Kaffee nach Wahl. Während des Frühstücks unterhalte ich mich lange mit Anissa, sie gibt mir viele nützliche Tipps, um mich besser im Ashram zurecht zu finden. Leider ist verlässt sie uns heute nach dem Frühstück bereits.
Bevor sie abreist treffen wir uns alle für ein gemeinsames Abschiedsfoto und ich kann gleich meinen Freunden meine neue „Ashram Familie“ vorstellen.
Den Vormittag nutze ich, um mich im Ashram aber auch im Ort Candidasa zu orientieren. Im Pavillon, wo ich heute Morgen Yoga geübt habe, versammeln sich gerade die Kindergartenkinder mit ihrer Erzieherin und lernen spielerisch das Zählen auf Englisch. Reizend zu beobachten, wie begeistert die Kleinen in ihren schicken Uniformen ihr Wissen lautstark hinausrufen.
Zum Baden besuche ich fast täglich ein anderes der benachbarten Hotel Resorts. Überall kann man im Pool oder an einem Strandzugang schwimmen und dabei einen erfrischenden Cocktail genießen.
So verbringe ich die ganze Woche in einer friedlichen Ruhe und beginne mich wieder etwas zu erden. Es tut mir gut, inne zu halten und keine weiteren Reiseeindrücke zu sammeln. Am liebsten liege ich in meiner Hängematte mit Blick über den wunderschönen Garten mit seinen riesigen Palmen und zum Meer. Es ist ein bisschen, wie im Schlaraffenland.
Am letzten Tag dieser Woche kommt meine Unternehmungslust zurück.
Mein Fahrer Salim bringt mich sicher hinauf in die Berge im Inselinneren. Über abenteuerliche Serpentinen, passieren wir zahlreiche Bergdörfer und das quirlige Leben am Wegesrand fasziniert mich vollkommen.
Mein erstes Ziel ist der Tempel Pura Besakih in 900 m Höhe am südöstlichen Hang des Gunung Agung. Er ist der heiligste aller balinesischen Tempel
und blieb beim letzten verheerenden Vulkanausbruch im Jahr 1963 von den Lavaströmen verschont!
Den Vulkan selber bekomme ich heute leider nicht zu Gesicht, er spuckt wieder Rauch und hüllt sich damit selbst in eine Wolke ein.
Auf dem Rückweg besuche ich den Agro Tourism Garden in Karangasem. Während einer privaten Einzelführung erhalte ich interessante Einblicke in den Anbau und die Verarbeitung des berühmten und teuersten Kaffees der Welt. Der sogenannte „Luwak Coffee“ wird aus Arabica Kaffeebohnen erzeugt, die zuvor eine nachtaktive Schleichkatze, der Fleckenmusang, gefressen und wieder ausgeschieden hat. Im Körper des Tieres werden die Bohnen so fermentiert, dass ihnen die sauren und bitteren Geschmacksstoffe entzogen werden.
Ich kann es bereits riechen, die Kaffeebohnen haben einen feinen süßlichen Geruch, der an Schokolade erinnert. Der Kaffee schmeckt angenehm würzig und lieblich.
Kurz vor Candidasa lasse ich mich noch zu einem großen Banyan Tree fahren. Er ist bestimmt ca. 30 m hoch und von beeindruckener Erscheinung. In den buddhistisch sowie hinduistisch geprägten Ländern gilt der Banyan Tree als Heiliger Baum und ist in jedem Dorf in zentraler Lage zu finden. Unter einem Banyan fand Siddharta Gautama, der erste Buddha, seine Erleuchtung.
Am Nachmittag genieße ich nochmals eine wohltuende Ganzkörper-Massage und packe meine sieben Sachen zusammen, denn morgen holt mich Thomas ab.
Auch wenn ich mir meinen Aufenthalt in einem Ashram ganz anders vorgestellt hatte, bin ich trotzdem sehr zufrieden und dankbar für diese Erfahrung liebevoller Verbundenheit. Ein bisschen mehr Spiritualität habe ich vermisst und mich gerne viel öfter in Karmayoga geübt.
Sehr bereichernd waren die zahlreichen Gespräche mit den Gästen oder Mitarbeitern des Ashrams. Ein buntes Multikulti aus aller Welt trifft sich hier und tauscht Erfahrungen und Erlebnisse aus. Auf eine moderne und ungezwungene Art und Weise lebt es sich gut in diesem „Holiday Ashram“ (Zitat von Simona, einer Yogalehrerin, die ich hier traf).
